Erasmus Quellinus und Werkstatt

(1607 – Antwerpen – 1678)

 

Großmut des Scipio

Öl auf Leinwand, 108 x 162,8 cm

Preis: 35.000 €

Provenienz

Privatsammlung Brasschaat 1977

 

Dem römischen Feldherren Publius Cornelius Scipio Africanus (236–183 v. Chr.) gelang es Carthago Nova einzunehmen. Bei der Eroberung karthagischer Stützpunkte in Spanien fielen den Römern viele Geiseln keltiberischer Herkunft in die Hände. So auch Allucius und seine Verlobte, denen dank der Großmut Scipios jedoch die Freiheit geschenkt wurde. (Bericht Titus Livius (59 v. Chr.-17 n. Chr.))

 

Dr. De Bruyn, Verfasser des Werksverzeichnisses von Erasmus Quellinus und Experte für die flämische Barockmalerei bestätigte die Zuschreibung des Gemäldes an Erasmus Quellinus.[1] Das Werk beschreibt er als „of very good quality…. It seems to be in perfect condition.“

 

Das vorliegende Gemälde kann nach Dr. De Bruyn in die Zeit um 1645/50 datiert werden. Es zeichnet sich durch einen klassizistisch geprägten Stil aus. Vor dem Hintergrund antiker Bauwerke wird die Szene wie auf einer Bühne wiedergegeben. Allucius und seine Verlobte sind genau im Bildzentrum platziert – die schöne Königstochter fällt bereits durch ihre helle, weiße Gewandung auf. Hinter ihr sehen wir ihre Eltern, die versucht hatten, die Freiheit ihrer Tochter durch Geschenke zu erwirken. Gefolgt werden sie von einigen Hofdamen, die auf Allucius als keltlischen Anführer deuten. Der Feldherr Scipio steht durch einige Stufen erhöht und verweist mit seinem Gestus auf eine weibliche Skulptur einer Gottheit, die auf einem von Flammen erleuchteten Altar, im Inneren eines Tempels, thront. Die weibliche Gottheit kann nicht näher bestimmt werden, doch verweisen die Fruchtgirlanden auf sie als Göttin der Fruchtbarkeit und der Ehe. Ein Hohepriester zu Fuße des Tempels, neben der Königstochter, deutet mit seinem Gestus auf die Gottheit. Zudem hält er eine kleine weibliche Statuette in den Händen. Zu Fuße der Szenerie liegen die kostbaren Gaben, die als Geschenke an Scipio gedacht waren, nun aber an das Brautpaar zurückgehen. Rechts, etwas außerhalb der Bildmitte, findet sich ein Zitat des Herkules Farnese in Seitenansicht.

 

Quellinus behandelte das Thema „Großmut des Scipio“ mehrfach. Eine kleinere Version auf Kupfer wurde gemeinsam mit dem Pendant „Coriolanus bittet Rom zu schützen“ auf einer Auktion verkauft.[2] Nach De Bruyn befand sich eine dritte Version von Quellinus in der Sammlung Bailén in Madrid.

Für den Antwerpener Kunstmarkt und für private Auftraggeber schuf Erasmus Quellinus häufiger mehrere Varianten eines Bildthemas. So existieren beispielsweise mehrere Fassungen von „Achill bei den Töchtern des Lykomedes“ oder auch von „Artemisia trinkt die Asche des Mausolos“.[3] Bei letzterem Sujet liegt wie beim „Großmut des Scipio“ eine Fassung auf Kupfer vor und eine größere auf Leinwand.[4]

Interessant ist, dass häufig bei Gemälden von Erasmus Quellinus Zitate von Skulpturen seines Bruders Artus Quellinus auftauchen. Inwieweit die Skulptur in der Hand des Priesters auf eine solche Arbeit zurückzuführen ist, konnte bislang nicht geklärt werden.

 

Erasmus Quellinus II., war der Sohn des Bildhauers Erasmus Quellinus I. und Bruder von Artus Quellinus I. und Hubertus Quellinus. Er wurde nach seiner Ausbildung bei Rubens 1633/34 Meister der Antwerpener Lukasgilde. In den 1630er Jahren arbeitete er regelmäßig mit Rubens zusammen, beispielweise bei dem Auftrag zum Pompa Introitus oder zum Torre de la Parada. Von seiner humanistischen und philosophischen Bildung zeugen sowohl die Vielzahl seiner historischen und mythologischen Bildthemen als auch seine umfangreiche Bibliothek. Nach dem Tod von Rubens, im Jahr 1640, wurde er Stadtmaler von Antwerpen. Quellinus gilt als einer der wichtigsten Nachfolger von Rubens. Er entwickelte die flämische Barockmalerei entscheidend weiter und führte einen stärker klassizistisch geprägten Barock ein.  Ab den 1640er Jahren erhalten seine Kompositionen ein eher skulpturales Aussehen mit einem klassizistischen Gesamteindruck. Dies steht in Verbindung mit der Zusammenarbeit mit seinem Bruder, dem Bildhauer Artus (1609-68). Im Werk der beiden Brüder nimmt ein idealisierter Figurentyp zu. Ihre Kooperation zeigt sich z.B. in den von Quellinus geschaffenen Grisaillen, die oft Entwürfe oder konkrete Skulpturen des Bruders wiedergeben.

 

 

Literatur

De Bruyn, Erasmus II Quellnus. De Schlderijen met Catalogue Raisonné, Freren 1988, S. 196f. , Nr. 127 mit Abb.

 

Weiterführende Literatur über Erasmus Quellinus

J.-P. de Bruyn, ‚Erasmus II Quellinus (1607-1678). Een stijlkritische benadering‘, Jaarboek van het Koninklijk Museum voor Schone Kunsten Antwerpen 1984, p. 271, afb. 11

J.-P. de Bruyn, ‚Erasmus Quellinus (1607-1678)‘, Tijdschrift der stad Antwerpen, dec. 1984, p. 190, nr. 4, afb. 8

Ausstellungskatalog „Erasmus Quellinus – in het voetsporen van Rubens“, De Bruyn u.a., Musée de Flandre, Cassel 2014

[1] Schriftliche Korrespondenz mit Dr. De Bruyn, 15. Juli 2019.

[2] Öl auf Kupfer, 55 x 108 cm, signiert. Sotheby’s, London, 4. Dezember 2008, Los 125.

[3] „Achill unter den Töchtern des Lykomedes, Öl auf Leinwand, 77 x 107 cm, Gemäldesammlungen des Fürsten von Liechtenstein; Öl auf Leinwand, 114 x 164 cm, Szépmuvészeti Museum, Budapest.

[4] „Artemisia trinkt die Asche des Mausolos“, Öl auf Kupfer, 56 x 46 cm, Privatsammlung; Öl auf Leinwand, 124 x 139,7 cm, Glasgow, University Museum.

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